Ich finde dich in allen diesen Dingen,
denen ich gut und wie ein Bruder bin;
als Samen sonnst du dich in den geringen
und in den großen giebst du groß dich hin.
Das ist das wundersame Spiel der Kräfte,
daß sie so dienend durch die Dinge gehn:
in Wurzeln wachsend, schwindend in die Schäfte
und in den Wipfeln wie ein Auferstehn.
                                                             Rainer Maria Rilke
Hinter jeder Form steht eine Kraft, hinter jeder Kraft steht eine Idee
Wenn es uns gelingt, die Wunder der Natur wahrhaftig zu betrachten und wahrzunehmen, scheint es mir, als würde etwas im Innern anklingen und mitschwingen mit den Formen des Lebens. Etwas, das anzuknüpfen vermag, sich vielleicht erinnert an die eine, magische Ur-Sprache der Natur. Beim Arbeiten mit Klangbildern wird deutlich, dass hinter jeder Form eine Schwingung, eine Bewegung, eine Kraft steht. Erst wenn Schwingung - beispielsweise Töne oder Musik - die Stille des Wasserspiegels durchbrechen, zeichnen sich Formen ab. 
Bei der Betrachtung der großartigen Formensprache und Architektur der Natur stellt sich die Frage nach der Kraft, die diese Formen bildet und nach den Vorlagen, den Mustern oder „Bauplänen“, die hinter all diesen Formen und Strukturen stehen. Wie ist es möglich, dass eine so komplexe Formenwelt sich in dieser Perfektion entwickelt? Gibt es eine Idee, einen Gedanken der hinter der Konstruktion, der Struktur der Form steht? 
Sich in diese „Idee“, diesen Gedanken einzufühlen, und dem Eindruck nachzuspüren, den die Formen hinterlassen, fesselt und fasziniert mich an der Fotografie mit dem Thema Form. Die Fotografie selbst bringt mich oft dazu, die beeindruckende Perfektion der Formen in ihren Tiefen wahrzunehmen und besser sichtbar zu machen. Zuweilen lassen sich Formgebungen abbilden, die wir mit den Augen so gar nicht sehen könnten. So ist der Versuch unternommen, in meinen Klangbildern die Bewegung des Wassers mit ins Bild zu bringen und so das Augenmerk auf die Dynamik der Formen in einer (ewigen) Bewegung zu lenken.
Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der Gebirge, der Pflanzen, der Tiere, der Menschen, in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den Magnet her, und sonderbaren Konjunkturen des Zufalls, erblickt. 
                                                                                                                                                                            Novalis, Die Lehrlinge zu Sais
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